
Von ziemlich viel Essen, ziemlich kleinen Leuten und ziemlich viel Chilli
Mexiko, ach Mexiko. Es ist wirklich schön mit dir, aber perfekt bist du nicht. Was habe ich mich auf dich gefreut, als wir noch auf Kuba waren: Endlich wieder alles verfügbar, von Essen über Klamotten bis hin zu schönem Zeug, das die Welt nicht braucht. Und das auch noch zu sehr erschwinglichen Preisen. Es fing auch ziemlich gut an, mit uns. Du empfingst uns mit einer tollen Wohnung mit wunderschöner Aussicht auf einen Park, der zur großen Freude der Großen gleich mit zwei tollen Spielplätzen und einem kleinen Trimm-dich-Pfad aufwartet. Und mit herrlich angenehmen Frühlingstemperaturen! Eine Wohltat nach der ganzen Schwitzerei in der Karibik. Wir wussten schon gar nicht mehr, wie wir eigentlich in langen Hosen aussehen. Schräg gegenüber unserer Wohnung befindet sich eine große Markthalle, in der man Obst und Gemüse, Fleisch und Milchprodukte bis zum Umfallen kaufen kann, 1 Liter frischgepresster O-Saft für 1 Euro. Hallelujah! Selbst Piñata, Steckspiel und Deko für den 1. Geburtstag des Babys hatten wir innerhalb des ersten Tages und ohne nervige Sucherei zusammen. Überall roch es verlockend nach Tacos und Tortillas – sollten all meine Träume wahr geworden sein?



Vielleicht hätte ich es als Warnzeichen sehen sollen, dass mir gleich am ersten Tag das große Kind, nachdem es den ganzen Einkauf über Bauchschmerzen und Halsschmerzen geklagt hat, an der Supermarktkasse über die Schulter gekotzt hat. Hab ich aber nicht. Und du hast nachgelegt. Tag zwei. Wir fahren Metro. Fröhlich mit unseren Wertsachen, wie immer verstaut in den Reißverschlusshosentaschen des Mannes. Nah am Mann und so. Bekommt man ja mit, wenn da jemand dran geht. Ja, bekommt man wirklich mit. Aber leider erst dann, wenn sie plötzlich leer sind. Wir sind um ein Handy, ein Portemonnaie mit Personalausweis und Visakarte und eine Kamera ärmer. Und um einen Riesenschreck und ein großes Gefühl der Unsicherheit reicher. Ist uns das gerade wirklich passiert? Die Polizei ist sofort zur Stelle und Mitmenschen bleiben stehen, um uns zu helfen. Aber natürlich – von dem Dieb keine Spur. Die Kreditkarte ist zum Glück schnell und unkompliziert über das Online-Banking-Konto gesperrt und zu unserer Erleichterung sind auch keine ungesicherten Bilder mit der Kamera futsch. Aber trotzdem ist es natürlich einfach ätzend beklaut zu werden. Mein einziger Trost ist, dass der Dieb sich wahrscheinlich ganz schön geärgert hat. „Wie, der Gringo hat kein IPhone, sondern nur ein altes, billiges Chinahandy? WTF? Nur umgerechnet 30 Euro im Portemonnaie?“ Du siehst, Mexiko City, unser Start war mehr als holprig. Trotzdem mag ich dich. Sehr sogar.


Auf deinen Straßen, die erstaunlich ruhig sein können, fühlt man sich kein bisschen unsicher. Immer wieder sind wir überrascht, wie grün du doch bist. Palmen- und baumgesäumte Alleen und riesige Parkanlagen, in denen man die Vögel zwitschern hört, obwohl sie direkt an einer vielbefahrenen Hauptstraße liegen, lassen einen immer wieder vergessen, dass man sich in einer Millionenstadt befindet. An jeder Ecke warten die tollsten Spielplätze darauf, beklettert, berutscht und beschaukelt zu werden. Sonntags sogar mit Hüpfburg. Da können wir beinahe drüber hinwegsehen, dass hier scheinbar Hans und Franz meinen, einen Hund haben zu müssen. Und keinen kleinen, nein, nein. Schäferhundformat sollte es mindestens sein. Auch (oder gerade?) wenn der Besitzer gerade mal 1,60 m misst. Dogwalker mit 10 Hunden an der Leine? Bring it on!



Auch mit deinem schier unendlichen Angebot an Aktivitäten, Sehenswürdigkeiten und Unternehmungen verwöhnst du uns. Hier bei dir haben wir uns sogar in einen Touribus gewagt, um wenigstens einmal alles zu sehen, was du zu bieten hast. Sehr beeindruckt hat mich die Casa Azul, das heutige Frida-Kahlo-Museum. So eine beeindruckende Frau mit einer unglaublichen Lebensgeschichte, die natürlich auch bestmöglich vermarktet wird. So findet man an jeder Ecke Frida-T-Shirts, Püppchen, Notizblöcke, Taschen, Bilder und und und. Der Mann war angetan von Teotihuacán mit seiner Sonnen- und Mondpyramide, etwas eine Stunde außerhalb der Stadt. Die Kinder hatten viele schöne Spielstunden im Joy Lab, einem montessori- und waldorfinspirierten Kindercafé und einem Traum aus pädagogisch wertvollem Holz- und Häkelspielzeug. Und dann sind da natürlich noch die Capucchinos to go für atemberaubende 80 Cent. 2/3 sin azúcar, 1/3 vainilla – ein Traum. Da vergessen wir fast, dass sich zwei weitere Familienmitglieder das ein oder andere nochmal durch den Kopf haben gehen lassen.



U-Bahn-Fans sind wir trotz allem nicht mehr geworden. Abgesehen davon, dass man gefühlt kilometerlang unterirdische Gänge ablatscht, um dann doch an er falschen Linie rauszukommen, hat man Glück, wenn während des Ein- und Ausstiegs keinem der Mitreisenden eine Gliedmaße abhandenkommt. Die Türen hier kennen kein Erbarmen. Die Mexikaner nehmen’s mit Humor und sind sowieso ein sehr freundliches Volk. Man wird häufig mit amigo oder amiga angesprochen und auch auf der Straße sehr oft angelächelt. Vielleicht sind sie aber auch nur aus purer Angst so freundlich zu uns, überragen wir doch fast alle um mindestens einen Kopf.


Apropos Körpergröße. Was mich wirklich wundert, ist wie in so kleine Personen solch große Portionen hineinpassen. Man erkennt die geografische Nähe zu den USA an Merkmalen wie der Größe der Softdrinkbecher. 1 Liter? Kein Problem, warum nicht gleich 1,5? Glaubt mir, wenn die Hand, die einen solchen Riesenbecher hält, zu einem 1,45 m großen Menschen gehört, wirkt das Getränk gleich nochmal größer. An jedem dicken Baum gibt es zudem Essensstände, die einen mit frischen Tacos, interessant aussehenden dunkelgrünen Teigfladen mit verschiedenen Belägen, frisch gepressten Säften, Eis in bunten Waffeln und Süßigkeiten versorgen. Also, natürlich nicht uns. Nach unseren Magenverstimmungen sind wir nicht wirklich experimentierfreudig. Apropos Süßigkeiten. Chiligefüllte Bonbons anyone? Lollis mit Chilipulverummantelung? Gibt es übrigens auch in gesund: Apfel im Chilimantel. Scharfes Essen ist ja überhaupt nicht meins. Was dafür sehr meins ist: Tortillachips mit vier verschiedenen Dips als Gruß aus der Küche. Gibt es hier ziemlich häufig gratis dazu. Oder die sogenannten aguas frescas, also die „frischen Wasser“, die eigentlich verschiedene Limonaden sind. Aber was Wasser heißt, kann doch nicht ungesund sein, oder? Ihr seht, gut, dass wir nur vier Wochen bleiben.



In der Nacht von Samstag auf Sonntag geht es mit einem eintägigen Zwischenstopp in Vancouver für uns weiter nach Taiwan. Erst 6 und dann nochmal 13 Stunden Flug sowie eine Zeitverschiebung von 7 Stunden hinter deutscher Zeit zu 7 Stunden vor deutscher Zeit. Wünscht uns Glück.