Von Lagerkollern, nix los und von allem zu viel

Von Lagerkollern, nix los und von allem zu viel

Nun sind wir schon seit einem guten Monat in der Karibik und ich darf behaupten, dass wir uns alle gut akklimatisiert haben. Die Hitze fühlt sich nicht mehr ganz so heiß, die Luftfeuchtigkeit nicht mehr ganz so hoch und der Schweiß nicht mehr ganz so schwitzig an, wie ganz am Anfang, als wir alle ein bisschen auf dem Zahnfleisch gingen. Dafür haben wir jetzt alle einen riesigen Lagerkoller. Die Große und ich haben uns abgestimmt und waren die letzten zwei Wochen abwechselnd dauerkrank mit Fieber und Husten, sodass wir wirklich viel Zeit zuhause verbracht haben. Sehr viel Zeit. Und so haben wir viel Uno gespielt, gebastelt, Hörbücher gehört, uns gegenseitig angepflaumt, weil wir alle vom vielen Nichtstun genervt waren, und mal wieder gemerkt, dass noch lange nicht alles hakuna matata sein muss, nur weil man Palmen, Strand und Meer vor der Haustür hat. Aber jetzt geht es so langsam allen wieder gut und die Lebenskräfte und Unternehmungslust kehrt zurück.

Nun ist ja mittlerweile schon Dezember und auch hier merkt man langsam, dass Weihnachten näher rückt. Aber es hält sich alles sehr im Rahmen und ist kein Vergleich zu dem, was in Deutschland schon ab September geboten wird. Wir haben insgesamt drei Tannenbäume gesichtet, im Radio wird ab und zu Weihnachtsmusik gespielt und im Supermarkt gibt es ein kleines, sehr überschaubares Regal mit Weihnachtssüßigkeiten und -dekoration. Wenn ich dann Facebook öffne, sehe ich das komplette Kontrastprogramm. Ich bekomme tausend Vorschläge, wie ich den ultimativen Adventskalender für mein Kind basteln kann (denn nur, wer mindestens drei Wochen mit Planung und Herstellung desselben verbringt, liebt sein Kind auch wirklich, stimmts?), was ich alles noch bis Heiligabend mit den Kindern basteln und backen sollte, ohne welche Weihnachtsgimmicks absolut keine Festtagsstimmung aufkommen wird und natürlich einen Haufen zuckersüße Babyoutfits passend zur Weihnachtszeit. Und ich denke mir: Echt jetzt? Muss das wirklich sein? Haben wir nichts wichtigeres zu tun, als uns mit solchen Sachen zu beschäftigen? Macht mich das wirklich zu einer besseren Mutter, wenn ich all diese Dinge mit meinen Kindern mache? Haben meine Kinder keine schöne Kindheit, wenn wir das nicht alles machen? Ich bin normalerweise jemand, der sehr breitwillig auf diesen Zug aufspringt, sich anstecken lässt und denkt „doch, das muss alles unbedingt sein und gemacht werden, sonst ist es kein schönes [beliebiges Fest einfügen].“ Doch jetzt, wo ich hier auf St. Lucia bin und es sehr viele Dinge schlicht und ergreifend nicht gibt, fange ich an, zu hinterfragen, ob das wirklich alles sein muss. Ja, ein Adventskalender ist schön. Aber muss er wirklich selbstgebastelt sein und muss ich mir wirklich wochenlang Gedanken über den Inhalt machen? Und ist es nicht auch schön, sich jedes Jahr auf „seinen“ Adventskalender zu freuen? Auf den, den es eben jedes Jahr wieder gibt? Muss ich als Mama wirklich jedes Jahr aufs Neue Pinterest & Co. durchforsten auf der Suche nach einem Kalender, der noch toller ist, als der, den es im vorigen Jahr gab? In meiner Kindheit gab es zum Beispiel jedes Jahr einen Adventskalender mit kleinen Beutelchen, die meine Mutter befüllt hat. Meist mit Süßigkeiten, ab und zu mit einer anderen Kleinigkeit. Wenn ich nun aber jedes Jahr einen neuen, noch tolleren Kalender basteln muss, nehme ich meinen Kindern doch auch die Möglichkeit, sich auf liebgewonnene Rituale zu freuen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass wir schlicht und ergreifend zu viel von allem haben. Zu viel Auswahl. Egal, was es ist, es gibt es in zig Versionen und Ausführungen. Für den Kindergeburtstag der Großen brauchten wir zum Beispiel Luftballons. Gab es auch. Eine Packung mit bunten Luftballons. Eingepackt, fertig. Wenn ich in Deutschland Luftballons für einen Kindergeburtstag kaufen will, habe ich im ganz normalen Drogeriemarkt die Wahl zwischen normal, extra groß, in Herzform, zum Tiere daraus formen und was weiß ich alles. Ganz zu schweigen, von der Auswahl, die ich in einem speziellen Luftballongeschäft habe. Oder erst im Internet. Das stresst. Ungemein. Versteht mich nicht falsch, ich liebe es, Auswahl zu haben und es nervt mich hier oft, dass es so vieles nicht gibt oder nicht so gibt, wie ich es gern hätte (zum Beispiel ist es ziemlich unpraktisch, ohne Kontaktlinsendosendeckel leben zu müssen, weil diese blöderweise abhanden gekommen sind und ich einfach keinen Ersatz finde). Aber ich merke auch, dass ich wesentlich weniger gestresst bin, wenn es darum geht, mich für ein Produkt zu entscheiden. Es kostet einfach wahnsinnig viel Energie, ständig abzuwägen, was wohl das Beste ist und ob ich auch die richtige Entscheidung treffe. Dieser Prozess wird einem durch mangelnde Auswahlmöglichkeiten schlicht und ergreifend abgenommen. Es gibt das, was es gibt.

Ihr merkt, ich hatte zwei Wochen Zeit und nichts zu tun und habe angefangen, ein bisschen rumzuphilosophieren. Aber ich finde es schön, zu merken, dass ich eine neue Sicht auf manche Dinge bekomme und halte es gerade in diesem Fall auch für sehr gesund, unser Konsumverhalten mehr zu hinterfragen, anstatt sich einfach mit reinzustürzen, in die Jagd nach den perfekten Luftballons für den Kindergeburtstag. Die am Ende übrigens ohnehin niemand zu würdigen weiß. Den Kindern ist es egal, wie die Luftballons aussehen, hauptsache es gibt welche. Und ganz ehrlich, will ich wirklich meine Kinder dazu erziehen, dass der Geburtstag gelaufen ist, wenn die „falschen“ Ballons an der Decke hängen?

Ansonsten ist das Leben hier in Laborie ziemlich entschleunigt. Sprich, es ist die meiste Zeit überhaupt nix los. Das hat aber auch gute Seiten. So brachte es zum Beispiel den Mann auf die Idee, doch mal die Angel auszuprobieren, die hier im Haus steht. Sein Gedankengang war: Mein Vater ist Angler, mein Bruder ist Angler, also kann ich das auch. Und was soll ich sagen? Sein unglaubliches Sonntagskindglück hat ihn nicht im Stich gelassen. Beim leicht verhunzten Probewurf fängt er doch tatsächlich nach 5 Minuten einen ziemlich freaky aussehenden Fisch. Zum Glück sind ja die Nachbarn Fischer und haben ihn uns ausgenommen und pfannenfertig gemacht. Ich hätte das im Leben nicht hinbekommen. Oder machen wollen.

Apropos Fisch: Letzten Freitag war Fish Fry. Immer am letzten Freitag im Monat werden ein paar Stände aufgebaut, an denen es sehr leckeres, typisch kreolisches Essen gibt, es werden diverse Teile vom Chicken gegrillt oder auch Hummer angeboten. Dazu wird ordentlich die Mukke aufgedreht und fertig ist das Fest. Wir waren mit den Kindern von ca. 17-19 Uhr dort, allerdings war zu der Zeit noch nicht allzu viel los. Der Mann ist dann später nochmal alleine losgezogen, als wir anderen schon im Bett lagen, und da waren sie dann wohl ziemlich voll. Die Straßen, nicht die Besucher.

Morgen machen wir endlich, endlich mal wieder einen Ausflug, halleluja, mir fällt sonst wirklich bald die Decke auf den Kopf. Zum Glück kann man hier ziemlich viel mit dem Bus erreichen, wenn man gewillt ist, ein bisschen Zeit mitzubringen (der Bus fährt los, wenn er voll ist) und kein Problem damit hat, in einem vollgestopften Minibus ohne Gurte zu fahren. (Irgendwann kommt auf jeder Fahrt der Punkt, an dem ich mich frage „Oh mein Gott, sind wir eigentlich total bekloppt, das mit den Kindern zu machen?!). Wir wollen zum Drive-in Vulkan und ein paar Schwefelquellen, in denen man auch baden kann und die wir beim letzten Ausflug schon aus der Ferne gerochen haben. Ich werde berichten, wie schlimm es wirklich gestunken hat.

 

 

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