
Von Jippies, Bähs und allem dazwischen
Es gibt solche Tage und es gibt solche Tage. An manchen Tagen sehe ich uns ein bisschen wie im Film und denke mir „Man, wie cool, wir sind vogelfrei und in der Welt unterwegs und sehen jeden Tag das Meer und tolle Sonnenuntergänge und können bis spät abends mit kleinem Kind und Baby unterwegs sein, ohne Blicke à la müssten-die-Kinder-nicht-schon-längst-im-Bett-sein? zu ernten.“ Und dann gibt es Tage, an denen will ich am liebsten schöne Herbstsachen fürs Baby kaufen (die wir aber aufgrund der Temperaturen nicht brauchen), sehne mich nach Zeiten mit Kindergarten zurück, vermisse meine Freunde und Familie und bin genervt, weil unser Tagesablauf manchmal einfach komplett verzwackt ist: Da ist es dann 16 Uhr und wir waren immer noch nicht vor der Tür, weil Baby und großes Kind natürlich exakt abgepasst nacheinander Mittagsschlaf machen, das große Kind nicht aus dem Schlafanzug kommt und die ganze Bude aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Eine Luftballon-Taschentücher-Kartenspiel-Babyrassel-Auto-Stapelbecher-Bombe. Noch nicht mal die Badewanne bleibt hier verschont, kleiner Tipp am Rande: Lasst eure Kinder, sofern ihr welche habt oder mit dem Gedanken spielt, irgendwann mal in den Genuss ihrer Gesellschaft zu kommen, niemals, ich wiederhole niemals Käsebrote in der Badewanne essen. Es könnte sein, dass sie fröhlich mampfend Käse in das warme Wasser fallen lassen, der sich ganz wunderbar an der Wanne festschmilzt und am nächsten Tag in mühevoller Kleinstarbeit mit einem Messer wieder abgekratzt werden muss.

Wenn ich Glück habe, verwandelt sich ein Bäh-Tag gegen Nachmittag noch in einen Jippie-Tag, so wie heute. Da kann ich dann plötzlich mit Humor darauf schauen, dass wir wie Vollchaoten wirken müssen, wenn uns beim Überqueren der vierspurigen Straße mitten auf dem Zebrastreifen der Luftballon platzt, den die Große geschenkt bekommen hat, und wir uns mit kreischendem Kind, jaulendem Baby und sich vor Lachen nicht mehr einkriegender Mama auf die andere Straßenseite retten. Überhaupt stechen wir hier oft aus der Masse hervor: Wir sind die, die beide Kinder den Berg raufschleppen. Oder die mit dem Kind, das lautstark „Wer will fleißige Handwerker sehen“ auf der Straße performt. Oder die, die laut „Aua“ schreien und das Baby von sich wegstrecken, weil es die äußerst unangenehme Angewohnheit entwickelt hat, einen zu jeder sich bietenden Gelegenheit zu beißen. Aber so richtig. Im Zweifel sind wir auf jeden Fall immer die, die einen guten Kopf größer sind als alle anderen. Und wir werden langsam die, denen nix mehr peinlich ist. Kind will im pinken Barbie-Mercedes-Cabrio mit lauter Mukke über die Hafenpromenade fahren: Kein Problem! Kind will sich bei 24 Grad und strahlendem Sonnenschein dicke Socken, Turnschuhe, Mütze, Schal und Fleecejacke anziehen, um in den (zugegeben etwas zu gut klimatisierten) Supermarkt zu gehen? Bitte sehr!

Letzte Woche hatten wir zwei Tage lang einen Mietwagen und haben uns ein bisschen die Insel angesehen. Was wirklich relativ schnell erledigt ist, wenn man bedenkt, dass man in 30 Minuten vom Süden in den Norden gefahren ist. Wir haben mal wieder den Fehler gemacht, uns von einer Panoramastraße locken zu lassen. In unserer Vorstellung sitzen wir gemütlich im Auto, genießen die Aussicht und halten zwischendurch an den Aussichtspunkten an, um den Blick zu genießen. In der Realität muss ich ein Baby, das Autofahren hasst, mit Essen und jedem Spielzeug, das wir dabei haben, bei Laune halten, während ich für die Stofftiere des großen Kindes spreche und mich parallel mit dem Mann über irgendeinen Quatsch streite.


Gestern haben wir es besser gemacht und sind zu Fuß auf Entdeckungstour gegangen. Ziel war das traditionelle Fischerdorf Câmara de Lobos. Dort angekommen, waren wir ein bisschen enttäuscht, weil wir es uns irgendwie schöner vorgestellt hatten. Aber, wie der Mann bemerkte, hatten wir auch von einem traditionellen Fischerdorf gelesen. Nicht von einem schönen. Ganz in der Nähe befindet sich Cabo Girão, eine der höchsten Steilklippen Europas. Dort gibt es eine Aussichtsplattform, die zum Teil einen Glasboden hat, sodass man den Strand und das Meer unter sich sehen kann. Wenn man denn was sehen kann. Für den einstündigen Spaziergang nach Câmara de Lobos war es vielleicht von Vorteil, dass es ein bewölkter Tag war und die Sonne nicht wie sonst vom Himmel brannte. Für eine tolle Aussicht war die Wolkenwand, die sich wie Kaugummi die Klippe hochzog, eher hinderlich. Hätte man sich auch irgendwie vorher denken können. Düdüm. Naja, dafür haben wir dem großen Kind die Freude gemacht, mit so einem kleinen Touristenzug dort hinauf zu fahren. Den hatten wir zuvor an uns vorbeizuckeln sehen und die Große war sofort Feuer und Flamme. Und hat sich so gefreut, als wir gesagt haben, dass wir auch damit fahren können. Die Freude und die Aufregung waren so groß, dass sie ungelogen 3 Minuten nach der Abfahrt eingeschlafen ist. Ich wiederhole: düdüm.





Gestern Abend gab es dann noch ein ganz besonderes Highlight: Unser erster Regen, seit wir unterwegs sind. Und nicht nur das, es war gleich ein ganzes Gewitter mit Blitzen und Donner. Nach fast drei Monaten war das richtig schön, den Regen zu riechen, das Prasseln der Tropfen zu hören und zur Abwechslung mal einen richtig grauen, wolkenverhangenen Himmel zu sehen. Noch schöner war es aber, als sich die Wolken dann wieder verzogen und Platz gemacht haben für ein wunderschönes Lichtspiel zum Sonnenuntergang. Und so werden auch in der Natur aus manchen Bäh-Tagen gegen Abend noch richtige Jippie-Tage.