Von Wind, Wind und noch mehr Wind, müden Füßen und Bussen, die lieber unerkannt bleiben

Von Wind, Wind und noch mehr Wind, müden Füßen und Bussen, die lieber unerkannt bleiben

Mein absolut unverzichtbares ohne-es-gehe-ich-nicht-aus-dem-Haus-Teil auf Gran Canaria ist ein Haargummi. Hier ist vielleicht ein Wind, ey. Wie an der Nordsee. Am Anfang dachte ich noch, jetzt ist es mal ein, zwei Tage windig und dann ist wieder gut, aber nein, das scheint hier so zu sein. Obwohl ich nicht so auf Orkan-Böen-Wind stehe (gefährlich hoch flatternde Kleider, ständig Haare im Gesicht, noch mehr Knoten im langen Haar vom ohnehin schon haarbürstenphoben Kind …), muss ich zugeben, dass er auch seine guten Seiten hat. Im Gegensatz zu Teneriffa, wo wir uns regelmäßig einen abgeschwitzt haben, ist es hier durch den Wind ziemlich angenehm. Man darf nur nicht vergessen, dass die Sonne trotzdem brennt, auch wenn man es nicht so spürt (tut mir leid, liebe Stirn!)

Wahlweise mit Rücken- oder Gegenwind haben wir also unsere neue Umgebung ein bisschen erkundet und das äußerst mysteriöse Bussystem entschlüsselt. Auf Teneriffa war alles schön mit Aushängen versehen, auf denen alle Haltestellen der einzelnen Linie verzeichnet waren, und im Bus wurde die nächste Haltestelle auf einem Bildschirm angezeigt. Easy peasy. Hier gibt es zwei parallele Busunternehmen. Eins davon hat überhaupt keine Aushänge an den Haltestellen und es war reiner Zufall, dass wir es überhaupt entdeckt haben. Das andere teilt einem nur mit, dass die Busse ein Mal pro Stunde fahren und in welche Richtung. Haltestellen am Aushang? Fehlanzeige. Haltestellenanzeige im Bus? Ist doch viel witziger, wenn man einfach auf gut Glück irgendwo aussteigt. Aber gut, wir wollen nicht meckern, wir sind nämlich froh, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben, Bus zu fahren. (Fun-Fact: Die Busse heißen hier nicht autobús, wie sonst im Spanischen, sondern guaguas, gesprochen „wawas“) Deshalb haben wir letztens auch lieber 2 Stunden in einem kleinen Örtchen auf den nächsten Bus gewartet, als bei Mega-Wind bergauf 2 Kilometer mit Sack und Pack, Baby und großem Kind, das sich weigerte, auch nur einen Schritt weiter zu gehen, zu laufen. Stattdessen haben wir lieber am Spielplatz gesessen, Kuchen gegessen, der sich als gefühlt 3 Kilo schwere Marzipanbombe rausstellte, und Panini-Heftchen geklebt, die als Promo-Aktion gratis verteilt wurden. Wir waren also beschäftigt.

Apropos sich weigern zu laufen. Dafür, dass unsere Große zuhause wirklich ungern gelaufen ist, macht sie sich hier richtig gut. Wenn man ihr auch ein bisschen entgegenkommt und während des Laufens ein Rollenspiel mit ihr spielt (aktuell beliebt: Weihnachten. Wegen Leuten wie ihr stehen also Lebkuchen ab September im Supermarkt), läuft sie ziemlich weite Strecken ohne zu murren. Aber auch scheinbar schon große Füße sind irgendwann mal müde und brauchen ein paar starke Arme. Oder Schultern. Oder sogar mal das Tragetuch vom Baby. Oder im absoluten Notfall (heißt, Mama und Papa sind auch zu k.o. zum Tragen) sogar mal den Babyschalenbuggy vom Baby. Ja, dann wird man ziemlich komisch angeschaut. Aber das stört uns nicht die Bohne.

Und wo wir gerade bei Bohnen sind: Unser neuer Supermarkt des Vertrauens heißt Mercadona. Seeeehr viel spanischer als Lidl. Leider auch ein bisschen teurer (eine Packung unparfümierte Feuchttücher kosten 1,50 Euro. Hallo? Sind da Goldfäden eingesponnen?). Naja, jedenfalls muss man dort sein Obst und Gemüse noch selbst abwiegen, was ich a) sehr nervig und b) eine komplette Zumutung für die Umwelt finde, weil das natürlich dazu führt, dass jeder einfach alles einzeln in Plastiktüten packt. Da mir das zutiefst widerstrebt, ich aber auch keine Klebesticker auf das Obst und Gemüse kleben möchte, das wir mit Schale essen, hatten wir die grandiose Idee, als Kompromiss nur eine einzige Plastiktüte zu nehmen (die wir danach wiederverwendet haben!) und einfach alle zehn Etiketten darauf zu kleben. Fand die Kassiererin nicht ganz so witzig, weil sie drei Anläufe mit Ein- und wieder Ausbuchen brauchte, bis sie alle erwischt hatte.

Und wo wir gerade von Essen sprechen, muss ich euch etwas total Ekliges erzählen, was mir diese Woche passiert ist. Es ist noch früh am Morgen. Die Große knabbert Maiswaffeln. Auf ihrem Kleid liegt ein Krümel. Denke ich. Und esse ihn. Aber wieso ist er so hart? Ich hole ihn nochmal aus meinem Mund und schaue ihn mir an. Er ist grün. Hart und grün …? Das wird doch nicht …? Doch, war es. Ich habe einen Popel gegessen. Igitt. Danach wurden mir für den Rest des Tages von allen Familienmitgliedern, die groß genug dafür sind, Popel angeboten. Und das Baby hat auch so komisch geguckt. Wenn es gekonnt hätte, hätte es bestimmt mitgemacht.

Einen ersten Ausflug haben wir auch schon gemacht, und zwar in die Hauptstadt Las Palmas. Nach nur 25 Minuten mit dem Bus sind wir glücklicherweise zufällig genau an der Haltestelle rausgesprungen, die wir uns als strategisch günstig rausgesucht hatten. Der Mann hatte vorher verkündet, er hätte gelesen, die Stadt habe „kubanisches Flair“. Bei den ganzen Plattenbauten, die die Außenbezirke von Las Palmas prägen, fiel es mir schwer, das zu glauben. Aber als wir dann die Altstadt erkundeten, hinkte der Vergleich gar nicht mehr. Ein wirklich schöner Altstadtkern mit einer Kathedrale, von deren Türmen aus man einen herrlichen Blick über die ganze Stadt hat, vielen kleinen Gässchen mit netten Bars und Restaurants und immer mal wieder ein hübscher Brunnen oder eine Statue. Und ein super cooler Spielplatz mit einem riesigen Piratenschiff. Als Eltern freut man sich über solche Entdeckungen ja auch immer ein Loch in den Bauch.

Und so ist unsere erste Woche auf Gran Canaria auch schon vorbei. Wir freuen uns, dass wir noch ein bisschen bleiben dürfen und jedes Mal, wenn wir einen Urlaubsflieger sehen (was leider ziemlich oft der Fall ist, wenn man in der Einflugschneise wohnt), denken wir: „Da geht schon wieder für jemanden der Urlaub zu Ende. Was für ein unglaubliches Glück wir doch haben, dass wir noch unterwegs sein dürfen!“

 

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