Von Entschleunigung, Minimalismus und Paella für alle

Von Entschleunigung, Minimalismus und Paella für alle

Alle reden vom Entschleunigen, aber niemand sagt einem, wie schwierig das eigentlich ist. Nach einer Woche nichts tun, breitete sich hier langsam der erste Lagerkoller aus und es keimte wilder Aktionismus auf. Es fielen gar Sätze wie: Sollten wir vielleicht in einen dieser Aquaparks mit 25 verschiedenen Todesrutschen fahren?

Dabei ist Entschleunigen genau das, was wir wollten. Uns für längere Zeit mal ganz rausnehmen aus dem Alltag, in den Tag hineinleben, Zeit haben für uns als Familie, einfach mal sein. Aber wenn man es dann tatsächlich macht, kommt es einem nicht gut genug vor. Man muss doch am Ende des Tages etwas geschafft haben, man muss etwas leisten, produktiv sein, vorankommen. Ganz zu schweigen vom Reisen! Reisen muss aufregend und spannend sein, ein Highlight muss das nächste jagen, man hat vor guter Laune und Selbsterfüllung gar nicht zu wissen wohin mit sich! Mich beschleicht hingegen mehr und mehr das Gefühl, dass es bei dieser Reise vor allem um persönliches Wachstum geht und darum, sich klar zu werden, wie wir wirklich leben wollen, was uns wirklich wichtig ist.

Was dem großen Kind zurzeit wirklich wichtig ist, ist ein konstanter Nachschub an neuen Büchern. Darüber hatte ich mir bereits vor der Abreise Gedanken gemacht, bin aber zu keiner zufriedenstellenden Lösung gekommen. Ich denke, es wird auf Kinderbücher als e-books hinauslaufen, auch wenn ich von der Idee, Bücher auf dem Smartphone oder Tablet vorzulesen, nicht so begeistert bin. Gleich letzte Woche haben wir die örtliche Bibliothek besucht, die, wie soll ich es ausdrücken, ziemlich minimalistisch gehalten ist. Aber es gab ein paar Kinderbücher, auf die sich die Große gleich voller Begeisterung gestürzt hat und die Mama vorlesen durfte. Natürlich vorher im Kopf vom Spanischen ins Deutsche gedolmetscht. Was ich jedoch toll fand: Man darf zwei Bücher kostenlos für zwei Wochen ausleihen. Schlau wie wir sind, meldeten sich der Mann und ich an und wir liehen ganze vier Bücher aus. Ha! Wir hatten vor, die Bücher am Dienstag zurückzugeben. Am Wochenende laufen wir an der Bücherei vorbei. Aha, da hängt ein Zettel, mal schauen, was da steht: „Vom 30.7. bis 13.8. geschlossen. Ausgeliehene Bücher können am 14.8. zurückgegeben werden.“ Wir fliegen am 13.8. weiter nach Gran Canaria. Düdüm. Heißt das, wir dürfen die Bücher jetzt behalten?

Apropos Minimalismus. Mein Fazit nach knapp 6 Wochen mit sehr beschränkter Kleiderauswahl für alle Familienmitglieder: Ich liebe es! Wir haben nur Lieblingsteile dabei, niemand muss sich morgens viele Gedanken machen, was er oder sie anzieht, und bisher kamen wir auch noch nie in die Verlegenheit, dass uns wirklich etwas gefehlt hätte, was man nicht irgendwie improvisieren konnte. Ok, für das Baby hätten wir den ein oder anderen Body mehr mitnehmen können, da es sich trotz Lätzchen bei jedem Essen vollschmiert, aber die kann man zur Not noch nachkaufen.

Anstatt in einen Wasserpark im asiatischen Stil zu fahren (wer kommt nach Teneriffa und will das Gefühl haben, in China zu sein?!), haben wir einen Ausflug ins wunderschöne Bergdörfchen Masca gemacht (mehr dazu lest ihr hier) und uns die Sonne an einem Swimmingpool mit Blick auf die Klippen von Los Gigantes auf den Bauch scheinen lassen. Hach, war das schön. Kein Sand weit und breit, richtige Liegen und ein so flaches Becken, dass das große Kind auch mal alleine im Wasser spielen konnte. Außerdem war das Wasser so warm, dass auch das Baby endlich mal ganz rein durfte, anstatt nur seine winzigen Zehen reinzuhalten. Es ist immer wieder so schön zu sehen, wie Babys auf neue Reize reagieren – da werden die Augen ganz groß, der Mund steht offen und sie kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Und dann waren wir noch die einzigen Touris weit und breit auf einem kleinen Dorffest mit Kunsthandwerksmarkt. Erfahren hatten wir davon – wie auch sonst – über eine Lautsprecherdurchsage aus einem Auto, das seine Runden drehte, um die Leute zu informieren, dass am Sonntag in Tamaimo was los ist. Man kennt das ja. Was auf den ersten Blick sehr unscheinbar wirkte, entpuppte sich als richtig schönes Fest. Es reihten sich ca. 30 Stände mit Korbflechtereien, Filzarbeiten, handgemachtem Spielzeug usw. aneinander und auf dem mit Girlanden geschmückten Marktplatz war eine kleine Bühne aufgebaut. Als wir nach erfolgreichem Beutezug von den Verkaufsständen zurück zur Bühne kamen (das Baby ist nun stolzer Besitzer einer Rassel mit Glöckchen und das große Kind hat ein Auto mehr im Fuhrpark), war auf dem Marktplatz schon richtig was los und auf der Bühne spielte eine Band tolle spanische Livemusik. Wir stellten uns an der Essensschlange an, bekamen Besteck, ein Brötchen und einen Teller superleckere Paella aus einer gigantischen Pfanne in die Hand gedrückt, konnten zwischen Sangria, Limo und Wasser als Getränk wählen und fragten uns, wo man denn jetzt bezahlt. Es stellte sich heraus: Gar nicht. Alle waren eingeladen. Wie toll ist das denn? Anschließend sind wir noch mit der einheimischen Familie neben uns ins Gespräch gekommen, die uns erzählte, dass sie mal vier Jahre in Hamburg gelebt haben. Und so hatten wir einen wunderbaren Nachmittag mit einer wirklich netten Begegnung, einer wirklich leckeren Paella und einem wirklich schönen Tänzchen unter strahlend blauem Himmel. Das sind die Erlebnisse, die das Reisen so schön machen.

Nicht vergessen wollen wir auch die Mondfinsternis. Erwartungsvoll und mit Snacks und Getränken bepackt, treten wir vor die Haustür, um ein schönes Plätzchen mit bester Sicht auf den Mond zu finden. Doch, meine Damen und Herren, wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Nada, niente, kein Mond da, nix zu sehen. Schade. Wir hoffen ihr hattet mehr Glück.

 

PS: Diesen Post schreibe ich übrigens teilweise mit Blick auf Trampolin, Bällebad und Riesenrutsche in einem Indoor-Spielplatz. Nachdem das große Kind sich hier letzte Woche eine Stunde verausgabt hat und irre viel Spaß hatte, war dieses Mal nach 5 Minuten spielen alles doof und seitdem hängt sie maiswaffelknabbernd neben mir und langweilt sich. Da sind sie wieder, die Erwartungen, die man getrost loslassen darf. Vielleicht geh ich gleich noch eine Runde ins Bällebad, damit das Eintrittsgeld nicht ganz zum Fenster rausgeschmissen ist.

PPS: Fun-Fact der Woche: Der Strand vor unserer Haustür ist seit gestern gesperrt. Es gab eine Havarie mit den Abwasserwerken. So eine Sch***. Im wahrsten Sinne des Wortes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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